Wissenschaft – SCHWEISS bei Reiter und Pferd- Dres. med. vet. Klaus und Marie-Luise Neurand

SCHWEISS – bei Reiter und Pferd.

Ein Beitrag von Dres. med. vet. Klaus und Marie-Luise Neurand


Ross und Reiter haben eine Gemeinsamkeit: sie können beide heftig schwitzen – eine enorme Leistung der Haut.

Die äußere Haut als größtes Organ des Organismus – führt zwar ein “Außenseiterdasein” – hält aber dennoch den ganzen Organismus zusammen. Ihr Arbeitsfeld ist multifunktionell. Als Schutzschild schirmt sie den Körper gegen Hitze, Kälte, Strahlen, Gifte, Bakterien oder Schmutzpartikel ab. Sie unterstützt die Nieren, reguliert den Wasser- und Elektrolythaushalt und damit auch die Körpertemperatur. Feinfühlige Sensoren und Rezeptoren vermitteln dem Reiter und auch dem Pferd ein Situationsbild über die vielfältigen Einwirkungen von außen, aber auch über Schwankungen der Körpertemperatur. Und damit gilt es nun, das Schwitzen zu beurteilen.

Beim Reiter wird zwar duftender Schweiß mit Naserümpfen beantwortet, beim arbeitenden Pferd dagegen führt der Schweißfluss zu einem optimalen Temperaturausgleich. Die Muskelaktivität bei sportlichen Hochleistungen – sei es für Kurz- oder Langzeitbelastungen – wird nur durch die thermoregulatorische Effizienz der Haut ermöglicht. Etwa 75% der eingesetzten Energie muss als Wärme den Organismus verlassen – vornehmlich über die Haut, nur partiell über den Atmungstrakt.

Die Thermoregulierung

Die Thermoregulierung erfolgt über mehrere Wege – sowohl beim Reiter als auch beim Pferd.
Die Körpertemperatur des Reiters wird bei 37°C, die des Pferdes bei 38°C reguliert. Welche Möglichkeiten ergeben sich?

1. Die jeweiligen Körperoberflächen können in kühler Umgebung bzw. an kalter Kontaktfläche Wärme ableiten (Konduktion), wobei die vorhandene Temperaturdifferenz entscheidend ist.

2. Weiterhin gilt es den Kühlungseffekt durch Wind (Konvektion) berücksichtigen.

3. Nicht unterschätzt werden darf auch die Bedeutung der langwelligen Strahlung (Radiation) für den Wärmeaustausch mit der Umgebung. Für diese genannten Mechanismen steht der Begriff “trockene Wärmeabgabe”.

4. Der effektivste thermoregulatorische Prozess wird durch die Verdunstung von Wasser und Schweiß ermöglicht.

a. Die sogenannte Perspiratio insensibilis beschreibt die Verdunstung von Wasser von der Körperoberfläche, ohne dass dieser Vorgang sichtbar wird. Auch ohne Schweißsekretion verliert die Haut recht erhebliche Mengen von Wasser – falls an der Oberfläche keine Blockade durch Decken bzw. Kleidung besteht. Diese Art der Thermoregulation wird durch die Erweiterung (Dilatation) der oberflächlichen Gefäßnetze (Arterien, Venen, Anastomosen, Kapillaren) ermöglicht.

b. Bei vermehrter Arbeitsbelastung oder bei hohen Außentemperaturen kommt die Schweißproduktion (Perspiratio sensibilis) und die sich ergebende Verdunstung zum Tragen.

Beim Reiter sind es die in der gesamten Hautoberfläche befindlichen echten Schweißdrüsen (Glandulae glomiformes), die bisweilen äußerst aktiv an Händen und Füßen Schweiß absondern können. Der entlassene Schweiß enthält nur geringe Mengen an Eiweiß-Substanzen, die anfänglich noch geruchlos sind, aber nach gewisser Zeit durch bakterielle Einwirkung zu unangenehmen Gerüchen führen.

Beim Pferd sind es die Schlauchdrüsen (Glandulae tubuliformes), die stets in den Haarkanal einmünden. Sie sind in unterschiedlicher Menge in der Körperdecke verteilt. Die Hals- und Schulterregion sowie die Bauch- und Schenkelinnenflächen können wohl am heftigsten schwitzen. Die Gliedmaßen ermöglichen nur eine minimale Thermoregulation. Der produzierte Schweiß ist hyperton, d.h. er enthält vermehrt Eiweiße und Elektrolyte, wodurch die auffallende Schaumbildung zu erklären ist.

Unter unseren Haustieren sind die Pferde die einzigen Spezies, die wie die Menschen zur Temperaturregulation die Haut nutzen. Bei Katzen, Hunden, Schafen und Schweinen gibt es zwar histologisch vergleichbare Drüsen in der Körperdecke, doch diese besitzen keine Bedeutung für die Thermoregulation. Sie produzieren Duftstoffe und Substanzen zur Haar- und Hautpflege.


Querschnitt Pferdehaut (Histologisches Bild):
Haarwurzel mit Pigmenteinlagerungen, daneben Querschnitte von apokrinen Schweißdrüsen. [250fache Originalvergrößerung]

Beim Reiter und beim Pferd ermöglicht die jeweilige Aktivität der Schweißdrüsen den effizientesten Kühleffekt- die Verdunstung (Evaporation) auf der gesamten Hautfläche. Voraussetzung ist lediglich, dass der Wasserdampf-Partialdruck auf der Haut höher ist als in der Luft. Bei Regenfällen an heißen Sommertagen kann der Wasserdampfgehalt in der Luft so hoch sein, dass der Kühlungsvorgang nur mangelhaft möglich ist. Ein entsprechendes Gefühl der Schwüle reduziert die Möglichkeit der Verdunstung und kann damit zu einer Hyperthermie (Überwärmung des Organismus) führen.

Eine derartige Überwärmung des Muskelsystems infolge der unzureichenden Wärmeabgabe über die Haut kann zusätzlich durch mehrere Faktoren beeinträchtigt werden. Ein extrem langes Winterfell, das beim Pferd im Frühjahr nicht rechtzeitig gewechselt wird, verzögert den Thermoregulationsprozess erheblich. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass großflächige Körper-Abdeckungen bei stärkeren Körperanstrengungen die Verdunstung des Schweißes extrem behindern können.

So können partielle Abdeckungen der Rückenregion durch diverse Sattelunterlagen eine optimale Thermoregulation verschlechtern. Kompakte Filzpads, Gummiunterlagen oder feste Gelpads unter dem Sattel blockieren je nach Auflagengröße bis zu 20% der Körperoberfläche und verhindern damit hier eine mögliche Evaporation. Der produzierte Schweiß tropft ab, ohne dass hier eine Kühlwirkung eintreten kann.

Diese Einsicht hat folglich dazu geführt, unter dem Sattel des Reiters ein verbessertes Klima zu schaffen. Der hier gebildete Schweiß muss möglichst ungehindert verdunsten können. Die Lösung sind Sattelpads mit Luftpolstern, die durch ein System von elastischen Mikrofasern offen gehalten werden. Somit wird ein kontinuierlicher Luftaustausch ermöglicht, indem während des Reitens ein Saug- und Pumpeffekt entsteht.

Nach der Erfahrung von mehreren Distanzreitern hat das sogenannte QUITTPAD eine geeignete Lösung gebracht. Eine fast trockene Felloberfläche spricht für eine optimale Verdunstung von Schweiß unter dem Sattel. Pferd und Reiter freuen sich.